Bei einem Abend mit langjährigen und neuen Großspendern der ZPC hat unsere Schulsprecherin Esther einen eigenen literarischen Text über das Großwerden in der ZPC vorgetragen und die Zuhörer*innen sehr gerührt. Im Vorjahr hatte sie bereits mit einem anderen Text am Finale des Jugendliteratur-Wettbewerbes „Texte – Preis für junge Literatur“ teilgenommen. Lesen Sie hier ihre Rede, die sehr viel Einblick in den Schulalltag gibt.
Unsere Schule – Esther G. 6. A
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich habe mich entschlossen ein paar Gedanken über die Schule zusammenzuschreiben. Ich möchte unter anderem über das Erwachsenwerden reden, weil ich noch nicht erwachsen bin.
Ich gehe in diese Schule seit dem Kindergarten, meine frühesten Erinnerungen sind noch in der Castellezgasse und es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen. Es erscheint mir klar und deutlich vor meinem inneren Auge, wie wir zum ersten Mal Buchstaben lernten, vielleicht aber auch wie vorgestern. Ich habe Deutsch erst im Kindergarten gelernt und es war ein furchtbar beängstigender Gedanke, sich nicht mit allen verständigen zu können, aber die Sprachbarriere war schnell überwunden. Sobald ich mit der Volks-schule anfing, hatte ich einen stabilen Grundwortschatz.
Die Schule war auch der Ort, wo ich meine Liebe zum Lesen und zum Schreiben entwickelt habe. Es begann damit, dass ich es mich überforderte, ein Erstleserbuch zu verstehen, und jetzt gehören Stefan Zweig und Franz Kafka zu meinen Lieblingsautoren. Als ich nach einer gewissen Zeit anfing, die Schulbibliothek zu er-kunden, „offenbarte sich ein Paradies“ für mich, so viel Wissen und Weisheit aus allen Jahrhunderten – und ich konnte alles nach Lust und Laune lesen. Es faszinierte mich und tut es bis heute, mit welcher Leichtfertig-keit Schriftsteller mit Worten umgehen, und ich hoffe, eines Tages diese Fähigkeit auch beherrschen zu können.
Ich könnte stundenlang über Auszüge erzählen wie von meinem ersten Schultag, das erste Mal aus einem Gebetbuch beten, die erste Konversation auf Englisch führen oder wie erst neulich in die Schulvertretung gewählt zu werden.
Es gibt aber eine einzige Sache, die so unscheinbar und unbedeutend erscheint, dass es fast gar nicht erwäh-nenswert wäre, wenn man über alle anderen Sachen nachdenkt, die diese Schule uns auf den Weg gegeben hat.
Freundschaft, aber nicht die Art von „Schulfreundschaft“, bei der die meisten Menschen das Gesicht verzie-hen, weil sie das Bild haben, dass bei Freundschaften in der Schule keine echte emotionale Bindung entsteht, aber bei uns heißt Freundschaft, dass man zusammen aufgewachsen ist. Manche würden sagen sie kennen ihre Freunde schon „gefühlt ein Leben lang“, aber für uns ist es ein Leben lang.
Freundschaft in der Zwi Perez Chajes ist eine wunderbare Reise von der Kindheit an bis ins Erwachsenenalter. Es ist geprägt von Höhen und von Tiefen und von einer Ehrlichkeit, die für jeden glasklar ist. Das Vertrauen zwischen uns ist nicht erzwungen, sondern hat sich über die Jahre hinweg aufgebaut.
Erwachsenwerden ist ein großer Schritt und er führt ins Unbekannte. Dass man plötzlich auf sich allein ge-stellt ist, klingt schwer, aber wir wissen, dass wir nicht allein sein werden. Dass wir mit 18 aus diesen Türen hinausgehen werden und natürlich ein umfangreiches Allgemeinwissen haben werden, aber nicht nur eine jüdische Bildung, sondern eine Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die sich nicht nach ein paar Jahren auflöst, weil man zu weit weg wohnt, sondern die erhalten bleibt und wahrlich einzigartig ist.